für die weiteren Projektentwicklungsschritte fordern wir
- mehr Transparenz: bei den Vergabe- und Entscheidungsprozessen
- mehr Bürgernähe: rechtzeitige Information und Einbindung der Bevölkerung
- vorausschauende Stadtentwicklung: keine „Stadt in der Stadt“ ohne langfristiges Finanzierungskonzept für die Infrastruktur der bestehenden Stadt
Abbildung 1 Geplantes „Stadtquartier Nord“1
Schon vor vielen Jahren fiel der Startschuss für die Entwicklung des Areals rund um die ehemalige Kammgarnfabrik und die „alte Abfüllanlage“ der Vöslauer Mineralwasser AG. Das Areal ist aktuell bis auf ein paar wenige gewerbliche Nutzungen eine leerstehende und in großem Maße versiegelte Fläche. Diese für den innerstädtischen Wohnbau in zentraler Lage umzugestalten ist grundsätzlich sehr zu begrüßen!
Die Liste Bad Vöslau steht für eine maßvolle bauliche Entwicklung und einen Bevölkerungszuwachs, der im Einklang mit den Möglichkeiten der Stadt bleibt. Wohnbau und Infrastruktur (Schulen, Kindergärten, medizinische Einrichtungen, Verkehr, Freizeitangebote, etc.) dürfen nicht isoliert und zeitverzögert betrachtet werden, sondern als Teil eines gesamtheitlichen und zukunftsfähigen Entwicklungsprozesses. Dabei geht es nicht um kurzfristige Gewinne oder die Bevorteilung einzelner, sondern um eine zukunftsorientierte Entwicklung, die den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird.
Stadtentwicklung geht uns alle etwas an – Bürgernähe und Transparenz sind für die LBV das Grundprinzip bei langfristigen und strategischen Entscheidungen!
All das fehlt uns aber, wenn man sich die Vorgänge rund um die Entwicklung des Projektes genauer ansieht.
Fact-Sheet Stadtquartier Nord
- 65.000 Quadratmeter mitten im Zentrum
- Weit über 500 Wohneinheiten (für ca. 1.200 Personen)
- Über 700 KFZ-Stellplätze (6 Tiefgaragen und 2 Parkdecks)
- Höhere/dichtere Verbauung als ursprünglich geplant (die Geschossflächenzahl GFZ, die den Grad der Verbauung im Vergleich zur Grundstücksfläche angibt, wurde vom Wert 1,2 auf 2,4 in manchen Teilbereichen erhöht; GFZ = Geschossflächen/Grundstücksfläche)
- Bebauungshöhe: bis zu 21 Meter (7 Stockwerke)
Die Fertigstellung erfolgt etappenweise zwischen 2030 und 2060. Im ersten Teil Schritt soll das Gebiet „Kammgarnhof & Hofwirtschaft rund um die Falkstraße mit rd. 150 Wohneinheiten bis 2030 entwickelt werden:
Was bisher geschah:
Abbildung 4 erfolgte Meilensteine5
Transparente und objektive Vergabeprozesse?
Die Stadtgemeinde lobte im September 2022 ein geladenes, nicht-anonymes Ideenfindungsverfahren aus. In der Jury befanden sich Architekt:innen/Raumplaner:innen, darunter auch ein politischer Funktionär6. Eine kurze Recherche ergab, dass einige der Jurymitglieder mit dem Architektenbüro, welches zum Sieger gekürt wurde, bereits (z.T. auch mehrmals) gemeinsame berufliche Projekte durchführten.7
Diese Überschneidung von beruflicher Zusammenarbeit mit den Auftragnehmern und Tätigkeiten als Jurymitglied sind in Bad Vöslau übrigens kein Einzelfall. Oft sind dieselben Personen rund um die Vergabe involviert, etwa auch beim Architektenwettbewerb eines anderen geplanten Bauprojektes in Bad Vöslau.
Das bedeutet nicht, dass nicht hochqualitative und gute Projekte ausgewählt wurden, allerdings sehen wir die Art der Vorgehensweise kritisch. Diese Umstände sprechen nicht für einen transparenten und objektiven Vergabeprozess der Stadtgemeinde.
Die Liste Bad Vöslau setzt sich für die strikte Vermeidung von Interessenskonflikten ein und lehnt auch nur den Anschein von Befangenheiten ab, um transparente und faire Vergabeprozesse zu garantieren.
Aktive und rechtzeitige Einbindung der Bevölkerung? Das Projekt Stadtquartier Nord ist ein gutes Beispiel für „Politik hinter verschlossenen Türen“, denn die Information an die Bevölkerung fand erst unmittelbar vor dem Gemeinderatsbeschluss zur Umwidmung der ersten zu bebauenden Grundstücke statt. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits zwei Jahre lang das Siegerprojekt aus dem Ideenfindungswettbewerb fest. Auch die Weiterentwicklungsphase mit den sechs moderierten Workshops fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Erst nachdem der Raumordnungsvertrag inklusive Grundstückstausche zwischen Gemeinde und Privateigentümern bereits abgeschlossen war, wurde das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt.
Dies steht in krassem Widerspruch zum vorgestellten Siegerprojekt (Perspektive Innenstadt – Masterplan8 zur räumlichen und strategischen Entwicklung der Innenstadt von Bad Vöslau; Prof. Scheuvens), wo gleich der erste Satz von 2. Kapitel (Der Planungsprozess – Planung als Dialog) lautet:
Eine Innenstadtkonzeption kann nur sachgerecht geplant und umgesetzt werden, wenn die innenstadtrelevanten AkteurInnen auch aktiv in den Planungsprozess einbezogen werden. Es ist daher von großer Bedeutung, neue Kooperationsformen zwischen der Wirtschaft, der Verwaltung, der Politik und der Bevölkerung zu entwickeln. Auf diese Weise kann eine Bündelung der öffentlichen und privaten Kräfte die Türen zu einem tragfähigen Entwicklungskonzept öffnen.
Die Liste Bad Vöslau setzt sich für eine rechtzeitige Information und Einbindung der Bevölkerung bei weitreichenden Entscheidungen der Stadtentwicklung ein!
Politischer Diskurs?
An den Workshops, in denen das Siegerprojekt weiterentwickelt und finalisiert werden sollte, waren die beauftragten Architekten, Grundstückseigentümer, Bauträger, sowie Gemeindevertreter und Gemeinderät:innen – vorwiegend der Liste Flammer – beteiligt (nur bei zwei Sitzungen waren auch die Grünen vertreten).
Beim letzten Abstimmungstermin wurde von Seiten des Raumplaners vorgeschlagen, dass in Folge ein „politischer Diskurs“ stattfinden sollte, um Fragen bezüglich der Anzahl der Geschoße, Versiegelungsgrad, Anzahl der Wohnungen und Bewohner:innen zu klären. Bürgermeister Christian Flammer stellte sich die Frage, ob die geplanten sieben Geschoße auch verträglich seien. Um diesen Diskurs im Gemeinderat zu führen und alle Gemeindevertreter auf denselben Wissensstand zu bringen, stand die Gemeinderatssitzung vom 29.06.2023 im Gespräch. Dazu kam es aber laut den Gemeinderatsprotokollen nie.
Im Anschluss an den letzten Termin waren die ersten Gespräche zur Erstellung des Raumordnungsvertrages zwischen den Grundeigentümern und der Stadtgemeinde geplant. Im Protokoll heißt es: „Der Raumordnungsprogramm wird sich über das gesamte Entwicklungsgebiet erstrecken und alle Beteiligten miteinbeziehen. Auch bildet er die Grundlage für eine künftige Änderung des Flächenwidmungs- oder des Bebauungsplanes […]“.
Erst ein knappes Jahr nach den Abstimmungsterminen wurde das Thema Stadtquartier Nord in der Gemeinderatssitzung des 21.03.20249 wieder aufgenommen. Allerdings nicht, um die städtebaulichen Parameter oder dergleichen zu besprechen, sondern den fertigen Raumordnungsvertrag und die erforderlichen Umwidmungen zu beschließen.
Während den Abstimmungsterminen (Juni 2023) sprach der Bürgermeister davon, dass das Projekt der Öffentlichkeit präsentiert und „verkauft“ werden müsse. Diese Informationsveranstaltung fand erst ein Jahr später statt.
Sicherstellung einer nachhaltigen und ökologischen Stadtentwicklung?
Hoch gepriesen werden in der Präsentationsunterlage die ökologischen Aspekte, wie Entsiegelung und Grünraumschaffung („Stadtwildnis“). Wir wollen hier genau hinschauen, denn laut dem Protokoll des 4. Abstimmungsterm am 21. April 2023 wurde die „Stadtwildnis“ für nicht notwendig erachtet, mit der Begründung, „dass grundsätzlich zahlreiche Grün- und Freiräume in und um die Stadt bestehen, es daher auch keinen großen Park im Quartier brauchen wird.“
Wie aus den Projektunterlagen ersichtlich ist, war ursprünglich eine große freie Fläche gegenüber des Thermalbades angedacht. Anstelle dieser ist nun ein Wohnblock eingeplant. Beim Abstimmungstermin im April 2023 wurde die Frage aufgeworfen, ob die rd. 15m Höhe als Gegenüber zum Thermalbad verträglich wäre.
Beim letzten Abstimmungstermin wurde vom Raumplaner die Notwendigkeit eines Qualitätssicherungsmechanismus des Freiraumkonzeptes betont. Im Gespräch stand etwa ein Regelwerk für den Beschattungsanteil durch Baumkronen, die Festsetzung eines maximalen Grades der Bodenversiegelung und ein Mindestanteil an begrünten Freiflächen.
Die Grünen stellten in der Gemeinderatssitzung11 vom 21.03.2024 sieben Anträge zur Abänderung des Raumordnungsvertrages zwischen Grundstückseigentümer und Stadtgemeinde. U.a. wurde gefordert: „Anzahl Baumpflanzungen, verpflichtende Bewässerung, verpflichtende Nachpflanzungen, Freiraumversorgung, versickerungsfähige Flächen, Wasseranschlüsse, Urban Gardening werden anhand von Kennzahlen überprüft und nachverhandelt.“ Der Antrag wurde allerdings abgelehnt.
Die Liste Bad Vöslau setzt sich für die Sicherstellung von hochwertigen, ökologischen und klimaresistenten Projekten ein!
Maßvolle bauliche Entwicklung und vorausschauende Stadtentwicklung?
Interessant ist, wie sich die Geschoßflächenzahl (GFZ) des nun umgewidmeten Teilbereichs in der Falkstraße im Laufe der Zeit „verändert“ hat. Anfangs war für das Areal von „Kammgarnhof und Hauswirtschaft“ (Falkstraße) eine GFZ von 1,4 angedacht. In der letzten Sitzung im Juni 2023 war dann von 1,5 für den Kammgarnhof an der Falkstraße die Rede.
Dem Erläuterungsbericht der geplanten Flächenwidmungsplanänderungen ist im Juni 2024 zu entnehmen, dass nun eine um vieles höhere GFZ zwischen 2,0 und 2,4 beschlossen wurde. Anmerkung: die Ausarbeitung der Änderungen des Flächenwidmungsplanes wird durch das von der Stadtgemeinde beauftragte Planungsbüro Liske durchgeführt, welche auch in den sechs Abstimmungsterminen teilgenommen hatte.
Abbildung 7 Auszug Protokoll Abstimmungstermine12
Kennzahlen wie die Geschoßflächenzahl regeln so wie die Bebauungshöhe die Intensität der möglichen Bebauung.Insgesamt kann nach der geplanten Fertigstellung des Gesamtprojektes im Jahr 2060 mit einer zusätzlichen Bevölkerung von mindestens 1.000 Personen gerechnet werden. Auch im ersten Entwicklungsschritt bis 2030 werden mindestens 300 neuen Bewohnerinnen und Bewohnern dazu kommen. Langfristig wird darauf gesetzt, dass der Anteil and PKWs pro Wohneinheit stark zurück geht. Dennoch muss (vor allem kurz- und mittelfristig) mit einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens gerechnet werden. Es braucht daher auch ein Verkehrskonzept für die (ohnehin schon angespannte Situation) des umliegenden Straßenraumes.
Auch andere Bereiche der Infrastruktur müssen berücksichtigt werden, etwa der Ausbau von Schulen, Kindergärten, Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen. Schulen und Kindergärten sind aktuell (trotz aktuell erfolgten Ausbaus) schon wieder (fast) an der Kapazitätsgrenze und müssen in die Finanzplanung einbezogen werden.
Zu diesem Thema erläuterte auch der Finanzstadtrat in derselben Gemeinderatssitzung im März 2023: „Einwohnerzuwächse haben jedoch in finanzieller Hinsicht nicht nur positive Effekte, umgekehrt entstehen auch Kosten, weil es erforderlich wird, die Infrastruktur zu erweitern. Und auch der laufende Betrieb sowie die Erhaltung, Sanierung und Modernisierung solcher Einrichtungen ist bekanntlich mit Kosten verbunden.“13
Für die Erweiterung der Volksschule Bad Vöslau, den Kindergarten Gainfarn, die Volksschule Gainfarn und die Erweiterung des Kindergartens Bad Vöslau Sonnenblumenweg wurden bzw. werden bereits knapp € 30,0 Mio. investiert.14
Die Schulden sind in den letzten Jahren u.a. durch den Ausbau des Stadtzentrums und der Musikschule vervielfacht. Eine sorgsame Finanzplanung ist daher unerlässlich, um mit dem Ausbau der Infrastruktur bedingt durch den Wohnbau nicht hinterher zu hinken. Bzw. muss im Umkehrschluss überlegt werden, wie viel Zuwachs für Bad Vöslau tatsächlich verträglich ist.
Abbildung 8 Schuldenstand gem. Voranschlag 2025 Stadtgemeinde Bad Vöslau
Wohnbau und (soziale) Infrastruktur dürfen nicht isoliert und zeitverzögert betrachten, sondern als Teil eines gesamtheitlichen und zukunftsfähigen Entwicklungsprozesses. Die Liste Bad Vöslau fordert eine maßvolle bauliche Entwicklung und ein Bevölkerungszuwachs, der im Einklang mit den Möglichkeiten der Stadt bleibt.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass wir als Liste Bad Vöslau die Neugestaltung des Stadtquartier Nord und Wohnraumschaffung im Zentrum sehr befürworten. Was uns aber nicht gefällt ist, wie Entscheidungen getroffen werden.
Es ist zu befürchten, dass der daraus resultierende Bevölkerungsschub nicht mit einer qualitativ hochwertigen Entwicklung in Einklang zu bringen ist. Es fehlt an Weitblick, die mit der Bevölkerungsentwicklung einhergehende benötigte Infrastruktur wie z.B. Ärzte, Kindergarten, Krabbelstube, Schulen, etc. fristgerecht bereitzustellen. Ein derartig schwerwiegender und langfristiger Eingriff in die Struktur des Stadtgebiets bedarf unserer Meinung nach unbedingt einer Einbindung der Bevölkerung sowie einer transparenten Vorgehensweise.
Wir werden uns im Rahmen einer möglichen Tätigkeit im Gemeinderat dafür einsetzen, dass bei den zukünftigen Entwicklungsschritten im Stadtquartier Nord mit uns ein Fokus auf
- Transparenz: Faire und transparente Vergabeprozesse; offenen Diskurs und nachvollziehbare Entscheidungsfindungsprozesse
- Bürgernähe: rechtzeitige Information aller Beteiligten (Gemeinderat und Bevölkerung); Einbindung der Bevölkerung in weitreichende Entscheidungsprozesse der Stadtentwicklung
- Vorausschauende Stadtentwicklung: Berücksichtigung verschiedenster Aspekte neben bloßer Wohnraumschaffung, wie z.B. Infrastruktur (rechtzeitiger und parallel eingeplanten Ausbau von Schulen, KiGa, Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen) und eine langfristige Finanzplanung .
- Bildquelle: privat, Schautafel Ausstellung Stadtquartier Nord, Mai 2024 ↩︎
- https://mona.jetzt/wp-content/uploads/2024/07/BadVoeslau_Perlenkette-Vision_2024.05.22.pdf, S.10 ↩︎
- https://www.badvoeslau.at/cms/upload/BUW/raumordnung/2024/7_Erlaeuterungsbericht_BPL_2024-JUN.pdf S. 7 ↩︎
- https://mona.jetzt/wp-content/uploads/2024/07/BadVoeslau_Perlenkette-Vision_2024.05.22.pdf, S.5 ↩︎
- Eigene Darstellung; Quelle: Visionenpräsentation Stadtquartier Nord ↩︎
- https://www.badvoeslau.at/cms/upload/Aktuelles/GR-Protokolle/2022_03_24_GR_Protokoll.pdf ↩︎
- Die Liste Bad Vöslau möchte auf das Verbesserungspotenzial der Vergabeprozesse hinweisen, allerdings sollen vorrangig die Prozesse und nicht die handelnden Personen im Vordergrund stehen. Daher wird an dieser Stelle auf eine namentliche Nennung verzichtet. Die Ergebnisse der Recherche beziehen sich auf allgemein im Internet auffindbare Informationen (Protokolle, Medienberichte, eigene Veröffentlichungen der involvierten Architektenbüros, etc.). Es werden keine strafrechtlichen Handlungen der involvierten Personen unterstellt sondern lediglich die „schlechte Optik“ aufgezeigt. ↩︎
- www.badvoeslau.at/cms/upload/Aktuelles/downloads_2023/Persp_Bad_Voeslau_A5_web.pdf ↩︎
- https://www.badvoeslau.at/cms/upload/Aktuelles/GR-Protokolle/2024_03_21_GR_Protokoll.pdf, S.38 ↩︎
- https://www.badvoeslau.at/cms/upload/BUW/raumordnung/2024/Beilage_.2_-_Vorpruefbericht.pdf, S.11 ↩︎
- PROTOKOLL, S.46 (Antrag 4) ↩︎
- https://www.badvoeslau.at/cms/upload/BUW/raumordnung/2024/Beilage_.5_-_Dokumentation_Abstimmungstermine.pdf ↩︎
- GR Sitzung 21.03.2024 S.42 ↩︎
- Vgl. https://listeflammer.at/stadtquartier-nord-2/ ↩︎